Stuttgarter Zeitung

Zu Hause mit neun Schwestern Frauensolidarität eingeübt

Die Holzgerlinger Rechtsanwältin Karin Kellermann-Körber gehört zu den Gründungsmitglie-dern von Frauen helfen Frauen

HOLZGERLINGEN. Seit 26 Jahren engagiert sich Karin Kellermann-Körber für misshandelte Frauen und Kinder. Für ihren ehrenamtlichen Einsatz ist sie jetzt mit der Ehrennadel des Landes ausgezeichnet worden.


Von Gerlinde Wicke-Naber


Das Elend misshandelter Frauen kennt Karin Kellermann-Körber aus ihrem Berufsalltag als Rechtsanwältin, Fachgebiet Familienrecht. Ihr sitzen in ihrer Kanzlei junge Mädchen gegenüber, die sexuell missbraucht worden sind und sich aus Verzweiflung immer wieder selbst verletzen. Sie begegnet jungen Frauen, die vor Magersucht kaum gehen können und älteren Frauen, die sich nicht waschen und kämmen, weil sie sich selbst als abstoßend empfinden. Die Frauen kommen zu ihr, weil sie sich vom gewalttätigen Partner trennen möchten oder rechtlichen Beistand nach einer Vergewaltigung suchen.
Schon zu Beginn ihrer Anwaltstätigkeit hatte Kellermann-Körber erkannt, dass es nicht ausreicht, die Frauen vor Gericht zu vertreten. "Ich wollte mehr tun", sagt sie. Durch ihre Schwester wurde sie 1981 auf das neu gegründete Frauenhaus im Kreis Böblingen aufmerksam – eines der ältesten im Land. Ausschließlich Ehrenamtliche des Vereins Frauen helfen Frauen kümmerten sich in den ersten Monaten um die schutzsuchenden Frauen und Kinder.
Kellermann-Körber wurde Mitglied im Verein und bald auch im Vorstand. Bald stellten die Vereinsfrauen hauptamtliche Sozialpädagoginnen für die Arbeit im Frauenhaus ein. Die Vereinsmitglieder waren vor allem dafür zuständig, die Finanzierung zu sichern und Anträge beim Land, dem Kreis und den Städten zu stellen. So manches Jahr hätten sie geittert, ob das Frauenhaus zu halten sei, erinnert sich die 53-Jährige. Doch der Verein hatte sich mit der Zeit den ruf erarbeitet, kompetente Arbeit zu leisten. Und so fragten vor 15 Jaren Verantwortliche aus dem Landratsamt bei den Mitgliedern an, ob diese nicht eine Anlaufstelle für Opfer sexueller Gewalt aufbauen wollten. Die Vereinsfrauen wollten und gründeten die Beratungsstelle Thamar. Diesen Namen haben sie der Bibel entnommen. So hatte die Tochter des Königs David geheißen, die von ihrem Halbbruder vergewaltigt worden war. " Gewalt gegen Frauen und sexuelle Übergriffe hat es schon vor 3000 Jahren gegeben. Dies scheint ein Problem in allen Kulturen zu sein", stellt Kellermann-Körber nüchtern fest. Ideologische Grabenkämpfe seien noch nie ihr Ding gewesen, sagt die Anwältin. Trotzdem habe sie immer gern mit den Feministinnen im Verein zusammengearbeitet. Das Besondere am Böblinger Verein sei, dass sich Frauen aus ganz unterschiedlichen Lagern getummelt hätten. Von sozial engagierten Kirchenmitgliedern bis hin zu Feministinnen. Und über alle ideologischen Grenzen hinweg habe man sicht stets auf das gemeinsame Ziel konzentriert, misshandelten Frauen aus ihrer gewalttätigen Beziehung und zu einem neuen Leben zu verhelfen.
diese Frauensolidarität, die Kellermann-Körber im Verein so schätzt, hat sie schon zu Hause kennengelernt. die 53-Jährige ist die Älteste einer Zehnmädchenfamilie in Holzgerlingen. Als sie 16 war, starb der Vater und so musste Kellermann-Körber schon früh Verantwortung übernehmen. dies habe sie geprägt, sagt die Anwältin. Heute trägt sie als Vereinsvorsitzende ehernamtlich die Verantwortung für ein kleines Unternehmen: Der Verein hat mittlerweile zehn Angestellte.

Stuttgart, Dezember 2007